Zweitausendzehn war für mich aus sportlicher Sicht das bisher herausfordernste Jahr. Warum? Ich bin meine erste richtige Langstrecke gefahren: von Dresden auf das Stilfser Joch. Während der Vorbereitungen die bereits im Herbst zweitausendneun begannen, habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, begleitend einen Blog zu schreiben. Zeitmangel und allgemeine Faulheit hatten dies konsequent zu verhindern gewusst, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß dies ein einmaliges Unterfangen werden sollte. Wie immer kommt esaber ganz anders und zweitausendelf werde ich wieder an der Elbspitze teilnehmen!

Hier werde ich also alles was einen Einfluss auf mein Leben auf zwei Räder hat dokumentieren, mit besonderem Augenmerk auf qualitativ hochwertigem und technisch innovativem Material. Mit etwas Glück gelingt es mir sogar meine Passionen Langstrecke und Leistungssport zu vermitteln!

19.10.10

eine Woche in den Alpen

Anfang August ging es mit Uwe in die Alpen. Geplant war, eine knappe Woche mit Abschluss beim Alpenbrevet  in Andermatt. Der Tag der Abreise rückte näher und näher während die Wetterprognosen schlechter und schlechter wurden. Was tun? Genau: dem schlechten Wetter ausweichen! Also kurzfristig am Vorabend umdisponieret und den ersten zwei Tagen in der Lombardei  sollte nicht St Moritz in der Schweiz sondern Bourg-d‘ Osians in Rhône-Alpes/Frankreich folgen. Aber schön der Reihe nach …

Am ersten Tag ging es zunächst mit dem Auto von München auf einen - wie sich später herausstellte - ausgebuchten Campingplatz in Prad. Um zwei Uhr starteten wir in Richtung Stilfser Joch. Letzteres bin ich zweitausendzehn das erste Mal überhaupt in meinem Leben gefahren und das nach lockeren 770km Einrollen auf der Elbspitze. Entsprechend negativ hatte ich diese Rampe Erinnerung (als wenn ich mich überhaupt an irgendein Detail dieses komatösen Abschnittes der Elbspitze noch erinnern könnte). Wie dem auch sei: das war die Gelegenheit, hier mal vernünftig rauf zu fahren!

Das  haben wir also gemacht um über Bormio und den Foscagno nach Livigno zufahren. Hier hatte ich beim Losfahren nach einer H2O-Druckbetankung derartige Schmerzen im rechten Knie, dass ich davon ausgehen musste, dieser Radurlaub ist vorüber (in diese Runde bin ich mit neuen Cleats gestartet, ohne deren Einstellung vorher geprüft zu haben; beim Losfahren war sofort klar, dass letztere nicht richtig sein konnte, aber das hält mich ja nicht auf …). Kurz und knackig den Lago di Livigno entlang bis zum Tunnel zwischen der Punt dal Gall und der Ofenpassstrasse und die Schmerzen waren wieder erträglich … und dann?

Foscagno

Der Tunnel ist seit Kurzem - zumindest wussten wir von nichts - für Fahrräder gesperrt und der letzte Bus war auch schon lange weg. Nach eigentlich garnicht langem aber dennoch zermürbendem Warten kam ein freundlicher Wildhüter mit seiner Tochter vorbei der Platz für uns, seine Flinte - die er wohl immer bei der Dame im Mauthäuschen deponiert - und unsere Räder hatte. Schnell durch den Tunnel, den Ofenpässchenpass rauf und mit immer länger werdenden Schatten hinunter gestürzt nach Prad. Mit dem letzten bisschen Licht dieses unseren ersten Tages kamen wir am Campingplatz an nur um zu erfahren, dass letzterer bereits voll war … aber wenigstens konnten wir für einen kleinen Obulus die sanitären Anlagen gemissbrauchen.



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Am nächsten Morgen ging es dann - schwer verunsichert was aus mir und meinem noch immer schmerzenden Knie denn werden sollte - mit Sack und Pack über den Stelvio nach Bormio.

Von dort aus starteten wir in Richtung Gavia, dieses Mal aber mit anderen Schuhen Zwecks anderer&erprobter Cleats! Nicht nachlassende Schmerzen (die im Gegensatz zum Vortag auch durch Bewegung nicht besser wurden) ließen mich regelrecht verzweifeln. Von „ich dreh oben wieder um“ bis „ich lass einfach den Mortirolo aus“ wurde der gesamte Anstieg zum Leidwesen Uwes durchgejammert. Oben angekommen ging es mehr oder weniger bewusst ohne jegliches Nachdenken nach Ponte di Legno hinunter. Nach einer ausgedehnten Spaghetti al Oglio Pause schmerzte mein Knie beim Losfahren erstaunlicher Weise überhaupt nicht (wenn es Schmerzen bereiten würde, dann jetzt). Also: ab dafür und den Mortirolo rauf!!! (Die Seite von Edolo aus ist ja ohnehin nicht so hart …). Ohne großes Tamtam auf der Passhöhe ging es gleich wieder runter und schnell weiter nach Bormio. Nach einer Katzenwäsche und exzessiver Nahrungsaufnahme saßen wir schnell wieder im Auto und auf dem Weg nach Frankreich.


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Morgens um vier kamen wir nach einer schier endlosen Fahrt durch die französischen Alpen endlich am Campingplatz in Bourg-d‘ Oisans an. Nach ein paar erholsamen Stunden Schlaf hatten wir dann auch Glück mit diesem Campingplatz und konnten uns gänzlich dem Sanitäten Luxus den eine solche Anlage zu bieten hat hingeben …
Zwecks sportlicher Betätigung sind wir in der Nachmittagshitze noch locker die „Hauptstrasse“ nach Alpe d’Huez rauf gerollt um uns oben ein leckeres fünf-Euro Pietra  zu gönnen. Etwas angeheitert haben wir dann auch Uwes Plattfuß - quasi mit Ansage: „Wenn wir hier einen Platten hätten wäre das ja gar nicht so schlimm“ - mehr als locker genommen. Nach mittelschweren Reparaturmaßnahmen ging es über den Sarenne und  Clavans-le-Haut wieder hinunter nach Bourg-d‘ Oisans. Den Abend haben wir dann mit leckerem Hartkäse, luftgetrockneter Salami und Heineken ausklingen lassen … was will man mehr?!!

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Klar, wir wollten mehr Radfahren …  am nächsten Tag sind wir die Marmotte abgefahren.
Nach ein paar Frostattacken auf dem Weg zum La Croix haben wir uns noch zu einer kurzen Keulerei verleiten lassen á la „die da vorne müssten wir eigentlich noch (vor der Passhöhe [Anm.d.Red.]) holen“. Die wie ich finde sehr schöne Abfahrt hinunter nach Villargodran über Belleville hat richtig Laune gemacht auch wenn - oder gerade weil - die Bodenhaftung bis an Ihre Grenzen ausgereizt wurde. Nach einer ausgiebigen Verpflegungspause ging es in die vierunddreißig Kilometer lange Auffahrt des Galibier über den Telegraphe. Beide hatte wir zwischenzeitlich unseren Hungerast/Einbruch/wasauchimmer was uns nicht davon abhielt das tolle Panorama auf der Passhöhe zu genießen. Auf dem Lautaret waren wir verzweifelt auf der Suche nach einem schnellen Happen in der Hoffnung, noch Alpe d’ Huez von Hinten mitnehmen zu können.

Belleville
Letztendlich wurden wir erst kurz vor dem Einstieg fündig, hatten aber bis dahin bereits zu viel Zeit bei der Suche vergeudet. So wurde leider nichts mehr aus dem Schlussanstieg was ich sehr schade fand, lief es bei mir an diesem Tag doch richtig gut! Genug Druck wäre noch auf dem Pedal gewesen um diese Runde zur Königsetappe unseres Urlaubs zu erheben … einfach das nächste Mal besser planen (und früher aufstehen).


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So mussten wir eben Alpe d’ Huez am nächsten Tag von hinten nehmen. Nach einem kurzen Abstecher nach Singuigneret gönnten wir uns erneut ein Pietra das dieses Mal aber mein persönlicher Vorbote eines folgenschweren Plattfußes werden sollte.

Singuigneret
Scheinbar haben die vergorenen Kastanien mein Popometer derart in seiner Funktion beeinträchtigt, dass ich den fortgeschrittenen, schleichenden Plattfuß nicht bemerkt habe. Jedenfalls zog es mir den Schlauchreifen in einer der zahlreichen Serpentinen vom Hinterrad und ich lag auf der Fresse Schnauze!

Schadensbilanz: das kurz vor dem Urlaub final nachgestochene Tattoo auf dem linken Unterschenkel hat etwas an Farbe verloren, die Carbonflanke des Hinterrades ist am Felgenhorn deutlich abgeschliffen und mein Lieblingstrikot ist kaputt!!! Die Abschürfung am Schienbein stellte sich nach dem Urlaub noch etwas problematischer dar, lag doch etwas mehr Haut von mir nun auf Frankreichs Straßen als zunächst angenommen. Alles in allem war der Sturz aber nicht so schlimm, d.h. meine Knochen sind alle heil geblieben und Probleme traten während unserer verbleibenden Zeit in Frankreich deshalb auch nicht auf!



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So wollten wir an unseren letzten Tag den Urlaub noch mit einer würdigen Runde beschließen. Absurdeste Touren wurden gebastelt die selbst noch am Morgen des letzten Tages überarbeitet wurden. Leider war uns das Wetter auch nicht mehr wohl gesonnen und wir verlegten unseren Start- &Zielort notgedrungen über den Lautaret nach Briancon. Die Sonne sahen wir an diesem Tag deshalb trotzdem nicht mehr.

Izoard

Am Izoard hatten wir noch Glück und es war nur arschkalt. Die Abfahrt war nach meinen Erlebnissen am Vortag eher müßig für mich, aber es sollte noch schlimmer kommen an diesem Tag! Nach kurzem Aufwärmen starteten wir in die Auffahrt des Agnel. Nach wenigen hundert Höhenmetern fing es bereits an zu regnen.  Gepaart mit der Kälte wurde es mir nicht einmal mehr in der Auffahrt warm und ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie kalt es denn in der Abfahrt werden würde!?!

Als Meister der Selbsttäuschung hielt ich fest an dem irrwitzigen Glauben, es würde bis zur Abfahrt nicht mehr regnen und die Straßen locker wieder trocknen … jaja, vielleicht am nächsten Tag? Wie dem auch sei, die Vernunft siegte bei Uwe zuerst und wir drehten nach zwei Dritteln des Anstieges wieder um. Die Nassen Carbonflanken waren ein Fest für mein ohnehin schon dünnes Nervenkostüm. Das Tal die D902 hinab konnten wir ob des Wetters und Verkehrs leider nicht würdigen, an jedem anderen Tag ohne die Franzosen französischen Wochenendurlauber ist dieses Tal wohl ein Traum! Der Regen ließ jedenfalls bis Briancon nicht mehr nach und wir waren heilfroh endlich wieder im Trockenen sitzen zu dürfen!



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Auch wenn sich dieser letzte Tag ein wenig ungeschmeidig darstellte war das ein toller Radurlaub mit sehr schönen Touren!

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