Zweitausendzehn war für mich aus sportlicher Sicht das bisher herausfordernste Jahr. Warum? Ich bin meine erste richtige Langstrecke gefahren: von Dresden auf das Stilfser Joch. Während der Vorbereitungen die bereits im Herbst zweitausendneun begannen, habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, begleitend einen Blog zu schreiben. Zeitmangel und allgemeine Faulheit hatten dies konsequent zu verhindern gewusst, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß dies ein einmaliges Unterfangen werden sollte. Wie immer kommt esaber ganz anders und zweitausendelf werde ich wieder an der Elbspitze teilnehmen!

Hier werde ich also alles was einen Einfluss auf mein Leben auf zwei Räder hat dokumentieren, mit besonderem Augenmerk auf qualitativ hochwertigem und technisch innovativem Material. Mit etwas Glück gelingt es mir sogar meine Passionen Langstrecke und Leistungssport zu vermitteln!

ES 2010

Start war um fünf  an der Frauenkirche, also um vier großes Sammeln. Ein Fernsehteam war mit dabei und das zu gebende Interview trieb mir das erste und letzte Mal das Adrenalin in die verbliebenen Haarspitzen. Noch ein schnelles Gruppenfoto und auf die Minute genau startete ich die Aufzeichnung am Edge. Die Kilometer bis zur ersten Bergwertung in Zinnwald gingen dann doch eher zäh an. Letztere ebenso, aber da konnte&wollte ich ja ohnehin nichts ausrichten! Einmal den Kreislauf richtig hochgefahren lief es dann aber und ich konnte auch Druck aufs Pedal bringen, auch wenn sich die Synchronisation mit dem Leistungsmesser der hinteren Reihen etwas schwierig darstellte.

Naja, und dann wurde halt irgendwie Fahrrad gefahren, oder?! Auf jeden Fall ist es in so einer Gruppe deutlich kurzweiliger als alleine einen 400er o.Ä. zu absolvieren!


Mit anderen Worten die Zeit und Kilometer flutschten einfach! Alle ~100km hatte eines der beiden Begleitfahrzeuge eine Verpflegungsstation aufgebaut, während das andere uns den Rücken frei hielt. Es wurde also schnell etwas gegessen und die Flaschen&Taschen wieder aufgefüllt. Der Ritt in den Abend und aus der Tschechei heraus wurde von drei Stunden Regenfahrt begleitet. Letztere in Kombination mit einem leicht flauen Magen (die Kartoffelsuppe bei Pilzen war leider etwas säuerlich) war dann eine wenig unerfreulich und demotivierend, aber mit trockenen Klamotten und Nudel-/Kartoffelsalat im Magen ging es nach der nächsten Pause wieder aufwärts: Lampen ans Rad und ab in die Nacht … in der Abenddämmerung erhellte eine weitere Gewitterfront den gesamten Horizont ... da müssen wir wohl durch? Und der Regenradar bestätigte unsere Befürchtungen … schon wieder nass werden?? Ne, echt keinen Bock! Entsprechend froh war ich über den Entschluss, der (Psycho-)Terrorzelle etwas Vorsprung zu gewähren – auch wenn diese Unterbrechung im Nachhinein betrachtet unnötig gewesen wäre.

So konnten wir trockenen Fußes weiter fahren und bis Zorneding fühlte ich mich wieder richtig gut, was mir auch die verlängerte Pause mit sage und schreibe 20 Minuten Schlaf nicht zu Nichte machen konnte. Danach gesellte sich Uwe zu uns während Töff nicht zu motivieren war. So fuhr ich reichlich locker in den Sonnenaufgang während so manch Anderer noch Probleme mit der Kartoffelsuppe hatte (was wir Kackpausen machen mussten … unglaublich! Die Nachtruhe wurde regelmäßig von einem sächsischen „sorry Jungs, aber ich muss scheißen“ gestört)


… ja, und dann wurde es in der Jachenau das erste mal richtig eng: ständig auf das Hinterrad des Vordermanns starren führte bei mir schnell zur verschobenen Optik. Ich lies mich Hinten ein wenig raus fallen um niemanden zu gefährden. Dieser Zustand änderte sich nur geringfügig bis zur Pillerhöhe. Da aber am Berg kein Platz mehr für Müdigkeit bleibt hatte wenigstens dieses Leiden endlich ein Ende. Bei gefühlten 40° bin ich in  den 700hm  aber mächtig eingegangen und hatte danach keinen richtigen Druck mehr auf dem Pedal, bzw  die Bereitschaft zum Schinden war einfach dahin! Trotz allem: die 600km-Marke war geknackt und vor dem Stelvio wartete eigentlich nur noch die Norberthöhe. Hier war mir klar: das Ding wird zu Ende gefahren! In der Abfahrt habe ich dann auch noch meine Vorderrad Felge durch gebremst was mich untypischer weise selbst jetzt noch nicht aufregt.

Nach der Pillerhöhe ist dann irgendwie das ganze Feld auseinander gefallen oder war das die offizielle Eröffnung des Rennens? Egal: das hatte ohnehin keinen Einfluss auf mein weiteres Vorankommen. Ich hab auf Sparflamme gestellt und bin mit dem „Peloton" weiter bis nach Prad gerollt (die Norbertshöhe ist vor dem Stilfser und nach der Piller eigentlich nicht weiter erwähnenswert gewesen) und dann hieß es jeder für sich. Zwei mal wurde ich am Stilfser noch außerplanmäßig verpflegt. Der Zahnschmelz war von den hoch dosierten Zuckerkanten bereits mehr als angegriffen und es gingen eigentlich nur noch Bananen rein, auch wenn mir die üblicherweise beim Radeln gar nicht taugen ... aber nach knapp 800km ist wohl alles ein wenig anders.


Letztendlich bin den Stelvio inklusive Pausen dann in etwas weniger als 2:40 Stunden hinauf gekrochen ... welch grandiose Zeit (Achtung: Ironie)! Aber ehrlich gesagt sollte ich damit wohl zufrieden sein: angekommen und als zehnter auch nicht der Letzte. Trotzdem hat sich selbst heute noch keine Euphorie breit gemacht. Wie ich vermute hängt das wohl mit der im Vorfeld viel zu entspannten Einstellung dem Ganzen gegenüber zusammen. Eigentlich gehören vor so einer Veranstaltung im Vorfeld doch ein paar schlaflose Nächte und etwas Flitzekacke dazu!?!



Meine Statistik ergab in der Summe dann tatsächlich 10h Standzeit, bis an den Fuß der Alpen einen 32er Schnitt und auf dem Stelvio war es bei mir dann nur noch ein 28.5er; gefahren wurden 9960hm auf 796km.

Wie viel ich genau gegessen habe kann ich leider nicht mehr sagen, würde das aber gerne beim nächsten mal protokollieren. Meine Geheimwaffe PowerBar Shots hat sich abermals mehr als bewährt. Getrunken habe ich nur Wasser, zu den Pausen Cola und wenn vorhanden Kaffee. Sämtliche isotonischen Getränke waren „zu sauer“ für meinen sonst recht unempfindlichen Magen. Bewährt haben sich auf den letzten 100km Waffeln und Bananen, die ich auf den 700km davor aber nicht angerührt hatte. Diese ungeplante Taktik will ich mir für das nächste mal bewahren: man sollte sich immer eine Variation der Nahrungsaufnahme für den Schluss aufheben, steht und fällt doch die Leistung auf der Langstrecke mit ausreichendem  Essen!

Als Nachwehen hatte ich taube Fußspitzen und Finger (jeweils der kleine und Ringfinger) und eine schmerzende rechte Schulter (?). Um diesen Problemen zu begegnen habe und werde ich noch entsprechende Maßnahmen für 2011 ergreifen.


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Letztendlich möchte ich noch anmerken, daß diese Veranstaltung top organisiert war! Besonders die Helfer haben eine tolle Arbeit geleistet, so daß man sich nur auf das Drehen der Kurbel konzentrieren brauchte!


An dieser Stelle nochmal ein Herzliches Dankeschön und bis 2011 auf dem Timmelsjoch!!!