Eigentlich habe ich die Elbspitze 2011 noch nicht ausreichend verarbeitet um bereits darüber berichten zu können, vielmehr setzt erst jetzt die Frustration bei mir ein. Aber vielleicht hilft es ja, wenn ich darüber rede?!
Im Gegensatz zum Vorjahr bin ich zweitausendelf ohne kurz vor dem Start zu erkranken gut durch die Vorbereitungsphase gekommen. Mit Trainingskilometern jenseits der 11000 hatte ich so viel wie noch nie in der Vorbereitung abgespult. Einzig zu bemängeln gab es das viel zu knapp ausgefallene Bergtraining. Dafür war der Druck diesseits der 3% "in Ordnung". Letztendlich aber egal: bei den teilnehmenden Fliegengewichten habe ich am Berg eh nichts zu melden. Nach meinen quasi-mühelosen Erfahrungen letzten Jahres - ich hatte eigentlich mit einem totalen Systemversagen gerechnet - war dieses Jahr Ankommen eigentlich keine Frage. Einzig wie! Entweder in rot oder im ersten Viertel!?
Das Elend nimmt dieses Jahr also erst im A&O-Hostel seinen Lauf. Diese Kiste ist einfach die schlechteste Wahl wenn man früh und gut schlafen möchte! Gepaart mit viel zu viel Kohlenhydraten am Abend war nicht nur die Nacht mehr als unerholsam, auch an ausreichendes Frühstücken war nicht zu denken (generell war die Nahrungsaufnahme bis zur nächtlichen Pause in Haag eher mangelhaft) - die üblichen Probleme. Sammeln an der Frauenkirche ab 04:15 und das erste Highlight der diesjährigen Tour: die Fahrtzielanzeigen des Begleit(linien)bus machten auch allen Unbeteiligten klar worum es hier geht, hochgradig beklopptes Radfahren! Nach endlos langem Warten ging es dann endlich um 05:30 los.
Bis zur ersten Bergwertung kam ich wie auch im letzten Jahr nicht richtig in Schwung. Der Magen lief zudem unrund und der Dürüm des Vorabends meldete sich regelmäßig. Die Beine waren auch noch mit irgend etwas Anderem beschäftigt und nicht zuletzt Dank hoher Luftfeuchtigkeit war mir bereits jetzt richtig kalt! Ohne mir Illusionen zu machen ging ich die Bergwertung trotzdem mit ~350 Watt an was unweigerlich zum Starten meines Motors führte. Tja, und irgendwie fand ich mich im Böhmischen Becken dann in der Führung wieder. Endlich etwas angenehmere Temperaturen animierten mich spontan das rote Trikot (aktivster Fahrer) zum Primärziel zu erklären. So blieb ich also die nächsten Kilometer vorne und lies nur meine Partner wechseln. Regelmäßgies Gezeter von hinten - teilweise ungerechtfertigt - ging mir zwar auf die Nerven, aber so ist das halt wenn die Körner für die Bergwertungen gespart werden müssen ... is ja nen Bergmarathon, ne?! Ich bin ja auch selber schuld, wenn ich mit einem Leistungsmesser fahre. Die bei Kilometer 150 meiner Meinung nach etwas zu spät angesetzte ersten Pause offenbarte das Ausmaß an Betreuungsaufwand den 36 bekloppte verursachen: mindestens 14 top motivierte Helfer ließen es - mal wieder - an nichts mangeln!! Das lief dieses Jahr wieder großartig und ist ein besonderes Merkmal der Elbspitze - das Herzblut aller Beteiligten und ganz besonders das der Betreuer!
Im zweiten Abschnitt kam es dann wie es kommen musste: Regen! Als das Feld zum Anziehen der Regenjacken anhielt interpretierte ich die Verzögerung als Versuche, sich unter zu stellen - was kurz vorher erst ausgeschlossen wurde. Mein Unmut über dieses sinnlose Vorgehen - nass wird man doch sowieso - kund tuend entschied ich mich mit F-Alex bis zur planmäßigen Pausen in knappen zwanzig Kilometern weiter zu fahren. Gesagt getan, ohne zu wissen, dass der Rest die Pause vorverlegte. Entsprechend lange mussten wir auf das Feld warten. Als das Feld an uns vorbeizog konnte ich Dank der Umsicht der Betreuer in den Begleitfahrzeugen noch an meinen Transportsack mit Windjacke - geschickter Weise hatte ich mich noch am Vortag gegen meine Regenjacke entschieden - und den Knielingen. Letztere waren dringend nötig, setzten doch bereits vor der ersten Verpflegungspause Probleme mit den Knien ein die ich zu diesem Zeitpunkt noch auf die tiefen Temperaturen zurückführte. Das Feld rollte in der Zeit weiter und ich bat Alex auf mich zu warten. Als ich fertig war konnte ich Alex nirgends mehr entdecken ... so ein Sack!! Egal, ab aufs Rad und Kette rechts! Ich rolle vom Eingangsbereich der Tankstelle und sofort ertönt das unverkennbare rhythmisches
pfft - pfft - pfft - pfft ... in meinem wohl etwas desolaten Zustand interpretierte ich dies zuerst als Schmutz, bis mir die präventiv eingefüllte Dichmilch aus dem HR entgegen kam. Ganz großes Kino: Feld weg und nen Platten!? Zum Glück hatte Alex nicht gewartet und das zweite Begleitfahrzeug war auch noch bei mir. Leider ohne Laufräder zum wechseln. Rein ins Auto und ab durch Klatovy zum bereits verständigten zweiten Auto mit dem Ersatzmaterial. HR gewechselt und los im Irrglauben das Feld würde etwas raus nehmen. Zu lange wollte ich natürlich niemanden im Regen warten lassen und pflügte jenseits der 400Watt durch das Wasser. Wie soll es in dieser Situation auch anders kommen? Der ungenügenden Nahrungsaufnahme Tribut zollend kam der erste Hammer der Tour. Total am Ende gingen nicht mehr als 200 Watt, mental absolut am Boden.
Man hab ich mich scheiße gefühlt! Wo is bloß das bekackte Feld? Nach einer gefühlten Ewigkeit überholte mich das Begleitfahrzeug und bot mir auf den letzten Metern bis zum Beginn der Bergwertung Böhmerwald etwas Windschatten. Nach 20 Kilometern Aufholjagd ging ich in den glücklicher Weise sehr angenehmen weil eher moderaten Anstieg. Noch vor der ersten Kehre erblickte ich eine im Wind flatternde Regenjacke im Hang über mir und der Regen hatte nachgelassen. Langsam kehrte die Motivation wieder, zwei Tüten Power-Shots (
maximal eine pro Tag laut Hersteller) und der Hammer war ebenfalls vergessen. Ein paar Schlusslichter konnte ich so noch aufrollen, war aber trotzdem heil froh endlich die Pause erreicht zu haben. Dank der großartigen Betreuung konnte ich wieder auf mein in der Zwischenzeit mit neuem Mantel versehenes HR wechseln und dem Auffüllen allermöglicher Speicher (
war das nicht wieder Kartoffelsuppe?) hingeben. Kalt war es aber immer noch völlig durchnässt im Wind sitzend. Ich konnte es kaum erwarten endlich weiter zu "dürfen" um wieder etwas Abwärme zu generieren. Wieder auf dem Rad hatten die Schmerzen in beiden Knien deutlich zugenommen, waren aber erträglich nach kurzem warmfahren. Es beschlich mich der erste Gedanke, dass sich hier ein Problem entwickelt und ich beschloss in der nächsten Pause die Schuhe zu wechseln.
Den Ruselabsatz habe ich nicht wirklich war genommen, schien mir wie auch der Böhmerwald nicht sonderlich anspruchsvoll. Ab Deggendorf lief dann alles wieder wie gewohnt/gewollt und ich hing wieder vorne im Wind und arbeite am roten Trikot. Einzig die Würstchen der letzten Verpflegung melden sich regelmäßig. Irgendwann kam dann auch die Pause in Mammingen. Endlich konnte ich die Schuhe wechseln in der Hoffnung auf Erlösung. Neben der Beleuchtung wurde auch mein Soundsystem installieren. Mein Start war wie an jeder Pause sehr hekltisch, hier aber besonders. War ich doch noch im Gebüsch - ähhh, Blumen für meine Mutter pflücken - als sich das Feld schon wieder auf machte .... bekackt! Zum Glück würde gemütlich angefahren und ich konnte problemlos wieder das Feld erreichen. Es ging in die Nacht. Nachdem die Leuchtfeuer aktiviert wurden beschallte ich das Feld. Entgegen aller Befürchtungen war die Resonanz eher positiv (ich hatte auch extra versucht, die Auswahl* massenkompatibel zu gestalten). Der Schuhwechsel hingegen war weniger zielführend. Zwar war das linke Knie schmerzfrei, das rechte wurde umso stärker misshandelt ... Augen zu und durch! Abseits der Bundesstrassen war ich heil froh, dass ich nicht der einzige mit mehr als 750 Lux am Lenker war. Bei dem teilweise herrschenden Fahrstil kombiniert mit etwas schlecht einsehbaren Streckenabschnitten war spätesten für die Fahrer in der zweiten Reihe mehr Licht als üblich nötig. Spätestens jetzt war die mangelhaft umgesetzte Zweierreihe ein Sicherheitsproblem, meiner Meinung nach deutlich größer als eventuell fehlende Begleitfahrzeuge!
Nachts hupende Autofahrer bringen damit nur ihrenn Unmut über die zu dieser Uhrzeit unerwartete Fülle von Radfahrern in ihrem Territorium zum Ausdruck und nicht, dass sie diese nicht rechtzeitig gesehen hätten; wie auch bei der Beleuchtung! Im Gegenteil halte ich es für Sinvoll, dass der von hinten nahende Verkehr von vorn herein weiß um was für ein Hindernis es sich handelt. Just my 2 cents....
Die Bergwertung in Biburg war nicht unbedingt eine Freude, rein optisch aber ein echter Leckerbissen, als sich ein Feuerwurm das Sträßlein hinauf wand! Kurz darauf - oder? - ging es zur Nachtpause in Haag, die ich glücklicher Weise noch in meinen Track integriert hatte ... sonst würden wir wohl jetzt noch alkoholisierte Jugendliche nach dem rechten Weg befragen!
Fest entschlossen meinem Magen auf die Sprünge zu helfen gab es zwei große Portionen Nudeln, das Rad schnell vorbereitet, die Schuhe wieder getauscht und ab in die Gaststätte = neuer Rekord: 25 Minuten Schlaf! Fünf Minuten vor dem Aufbruch "aufgestanden", sofort aufs Rad, Mucke an und ab ging die Post!! Im wahrsten Sinne: ich positionierte mich für die nächsten 1.5 Stunden vorne rechts. Das ging schon - nachdem die Schmerzen in diesmal wieder beiden Knien erträglicher wurden - richtig gut rein: mir fiel das doch recht leicht während links stetig gewechselt wurde. Erstaunlicher Weise gab es auch keine Probleme mehr mit 300 Watt an der Sptize ... aber vielleicht stand der Wind nur anders?! Egal, ich war vermutlich das erste mal heute richtig gut im rollen. Dann ging es das Sudelfeldding rauf. Betont locker - es würden ja erst jetzt die richtigen Kanten noch kommen - rollte ich mit maximal 250 Watt um noch ein paar Körner zu sparen für die eventuell entscheidenden Punkte um das rote Trikot. Bei 4° in der Morgendämmerung hatten wir die Rampe ganz für uns alleine - das war schon genial!! Die Abfahrt entsprechend kalt am Finger. Viel schlimmer aber, ohne die nötige Bewegung im Knie war ab hier Polen offen ... die letzten 15 Kilometer das Tal nach Thiersee hinab tat jede Kurbelumdrehung weh ... nichts von wegen "das fährt sich raus"! Auf diesen desaströsen Metern kam mir die mögliche Ursache in den Sinn: hatte ich nicht erst ein paar Tage vor dem Start andere Pedale mit deutlich unterschiedlicher Schuhposition montiert? Du Depp, bei der Vorgeschichte besonders meines rechten Knies war klar, dass das nicht klappen konnte! Schwachkopf ... Noch vor dem Ortsschild war klar, so kann ich nicht weiter fahren! Sollte ich überhaupt mit dem Ding einen der finalen Pässe hoch kommen wird das Knie am Ende noch weiter beschädigt ... also erst mal ab in den Bus.
Erster Halt nach der Bergwertung Patsch. Dauerhaftes sitzen mit angewickelten Beinen. Ich konnte nicht mal mehr Schmerzfrei laufen kann! Geiler Scheiß ... das wars.
Irgendwie habe ich das relativ emotionslos hingenommen, der Frust entwickelte sich erst ein paar Tagespäter.
Was bleibt als vom Tage übrig? Leider habe ich vom Kampf in den Bergwertungen zu wenig mitbekommen. Mit am beeindruckensten - neben lächerlichen 4000 Vorbereitungskilometern des Siegers Sten - waren aber Wolfgang und Sam, letzterer besonders. Erst mal sich spontan - ohne vorher die Elbspitze überhaupt gekannt zu haben - ein paar Tage vor dem Start anzumelden und dann noch so wie Sam das Ding durch zu ziehen? Im Bus fünf Minuten nach der Zielankunft noch immer am Pumpen wie ein Stier ... einfach voll am Anschlag, totale Verausgabung - extrem starker Auftritt!!! Das Wetter bzw die tiefen Temperaturen - mit Regen muss man immer rechnen - haben den meisten den Zahn gezogen und sind wohl der Hauptgrund für eine Ausfallquote von mehr als 50%. Für mich kann ich kurz und knapp sagen: die ersten zwanzig Stunden liefen eher unrund, dann lief es knappe drei Stunden prächtig und im Laufe der nächsten Stunde musste ich mich dann für den Bus entscheiden - Erfolg auf ganzer Linie! Am roten Trikot war ich mit etlichen Stunden Führungsarbeit wohl recht nahe dran. Wenigstens irgend etwas lief also vergleichbar mit letztem Jahr. Zweitausendzwölf bin ich aus beruflichen Gründen - verdammt, muss ich das jetzt wirklich so nennen? - nicht aktiv dabei. Ich würde mich aber freuen, mich als Betreuer beteiligen zu dürfen!? Jedenfalls gibt es dieses Jahr weder Ausfallserscheinungen á la taube Füße/Finger noch schwere Beine zu beklagen. Aber zweitausenddreizehn wieder, und eventuell verpasse ich dann wieder knapp den roten Lappen :)
Wie bereits mehrfach erwähnt war die Betreuung wieder einmal großartig! Die Atmosphäre der Elbspitze 2011 war abermals vergleichbar mit einer Ausfahrt unter Freunden, nicht zuletzt Dank der aus der perfekten Betreuung resultierenden Sorglosigkeit mit der sich die Fahrer auf das Drehen der Kurbel konzetrieren konnten. Ich hoffe, das bleibt so!
*Playlist: Elektro Swing I & II, Fujiya&Miyagi, The Hives, Peter Fox, Royal Republic und vermutlich noch irgendwas ...